Appell zu den Koalitionsverhandlungen

21. März 2025 Pressemitteilungen

Die neue Bundesregierung hat die Chance – und die Verantwortung –, den regulatorischen Rahmen strategisch weiterzuentwickeln und wirtschaftliche Anreize zu setzen, um die dringend benötigten privaten Investitionen in PtX- und Wasserstofftechnologien zu mobilisieren.

PtX-Hochlauf gemeinsam voranbringen – Jetzt die richtigen Weichen stellen

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Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden und bereits bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 65 % zu senken. Die in dieser Woche im Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung zur Einrichtung eines Sondervermögens bestätigt dieses Ziel erneut. Grüner Wasserstoff und grüne PtX-Produkte sind zentrale Bausteine zur Erreichung dieses Ziels ebenso wie zur Stärkung der europäischen Resilienz. Dennoch zeigt sich, dass der Hochlauf dieser Technologien kein Selbstläufer ist – er erfordert gezielte politische Weichenstellungen und einen konsistenten Instrumentenmix, um Investitionshürden abzubauen und die Marktakteure zu aktivieren.

Trotz erster politischer Maßnahmen bleibt die Investitionsdynamik im Wasserstoff- und PtX-Sektor bisher hinter den Erwartungen zurück. Hohe Anfangsinvestitionen, lange Amortisationszeiträume und regulatorische Unsicherheiten führen dazu, dass Pioniere finanzielle Nachteile tragen. Wer früh investiert, zahlt nicht nur für die Lernkurve, sondern setzt sich auch einem hohen Risiko aus, dass spätere Marktteilnehmer kostengünstiger produzieren können. Bei Amortisationszeiten von mehr als zehn Jahren drohen erste Produktionsanlagen zu „stranded investments“ zu werden.

Die neue Bundesregierung hat die Chance – und die Verantwortung –, den regulatorischen Rahmen strategisch weiterzuentwickeln und wirtschaftliche Anreize zu setzen, um die dringend benötigten privaten Investitionen in PtX- und Wasserstofftechnologien zu mobilisieren. Klar ist: Eine „One size fits all“-Lösung gibt es nicht. Vielmehr braucht es eine zielgerichtete Kombination aus Fördermechanismen, regulatorischer Absicherung und marktgestützten Instrumenten, um das Henne-Ei-Problem des Hochlaufs zu lösen. Der neue finanzielle Handlungsspielraum sollte nun auch genutzt werden, um die Transformation effektiv zu gestalten und private Investitionen zu hebeln.

Am greifbarsten werden die Probleme aktuell in der Luftfahrt. Bereits im kommenden Jahr 2026 greift die nationale PtL-Quote in der Luftfahrt erstmals: Zu diesem Zeitpunkt sollen Flugzeuge an deutschen Flughäfen mit 0,5 % synthetischen Kraftstoffen betankt werden. Auch bei einer Abschaffung der nationalen Quotenvorgaben würden die europäischen Vorgaben ebenfalls ab 2030 greifen. Es befindet sich allerdings gegenwärtig keine industrielle Produktionsanlage für synthetisches Kerosin in Betrieb oder Bau. Diese Quote wird aufgrund inexistenter Produktion daher absehbar nicht erfüllt werden können. Quotenregelungen können generell auf das Ziel einzahlen, eine konstante Abnahme von grünen PtX-Produkten zu generieren. Sie können aber alleinstehend keine Investitionsentscheidungen für großskalige Produktionsanlagen auslösen, denn gerade die ersten derartigen Produktionsanlagen benötigen vor allem auch eine verlässliche Preis-Perspektive. Aufgrund einer möglichen politischen Einflussnahme auf Quoten führt das Instrument auch nicht zu einer „Bankability“ für Projekte. Im Zuge der Anpassung des Bundeshaushaltes für 2024 wurde die hierfür dringend benötigte Förderung von PtL-Produktionsanlagen allerdings weitgehend gestrichen. Dies bewerten wir als einen schwerwiegenden Fehler.

Die Diskussion über die Einführung einer Grüngasquote für den Gasvertrieb, um die Abnahmeoptionen für Produzenten zu erhöhen, den Hochlauf klimafreundlicher Power-to-Gas-Energieträger zu beschleunigen und die Verbrauchssektoren fossilfrei zu stellen, verfolgen wir gespannt. Doch auch bei der Einführung einer Grüngasquote müssen die oben beschriebenen Aspekte zum Anlauf bedacht werden. So müssten „First-Mover“-Nachteile bei neuen Anlagen ausgeglichen werden.

Die Klimaschutzverträge sollen die Mehrkosten des Einsatzes von Wasserstoff für die Dekarbonisierung der Industrie ausgleichen. Für die zu fördernden Industrieunternehmen erfüllen die Verträge diese Funktion voraussichtlich auch. Sie sind daher ein unverzichtbares Instrument, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfest zu machen. Aufgrund der Orientierung der Differenzkontraktförderung am täglichen Grenzkostenpreis von Wasserstoff ermöglichen sie allerdings keine langfristigen Abnahmeverträge mit den entsprechenden Produzenten. Eine Ablösung der Klimaschutzverträge durch die „Grünen Leitmärkte“, wie vom Sondierungspapier vorgesehen, würde daran nichts ändern. Klimaschutzverträge können daher nur sektorspezifisch wirken. Um das volle Potenzial der Klimaschutzverträge zu heben, sollte das Instrument vielmehr gezielt weiterentwickelt werden: Ein separater Fördertopf für den Einsatz von Wasserstoff in der Industrie könnte gezielt Anwendungen fördern, bei denen die Umstellung auf Wasserstoff mit deutlich höheren Kosten verbunden ist. Die Zuschläge würden dann getrennt nach Anwendungsfeldern erfolgen, um eine passgenaue Förderung sicherzustellen. Zudem sollte die Preisbildung im Rahmen der Verträge marktgerechter und transparenter ausgestaltet werden. Eine Anpassung des Wasserstoffindexes HYDEX kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Ebenso sollte die aktuelle Spotpreis-Indexierung beim Strombezug überdacht werden – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Produzenten von grünem Wasserstoff derzeit verpflichtet sind, langfristige PPA-Verträge (Power Purchase Agreements) abzuschließen.

In Bezug auf die Transformation der Infrastruktur stellt der Aufbau eines H2-Kernnetzes in Deutschland einen wichtigen Meilenstein dar. Wichtig ist aber auch, vom Kern in die Fläche zu kommen: Sowohl bei der weiteren Transformationsplanung als auch der Transformationsfinanzierung sollten die Verteilnetze mit in den Blick genommen werden, die unter anderem auch wichtige Industrie- und Gewerbecluster enthalten.

Mit der European Hydrogen Bank (EHB) steht ein europaweites Instrument zur Verfügung, das produktionsseitige Differenzkosten von Wasserstoff über einen Zeitraum von 10 Jahren ausgleicht. Dies ist wichtig und hilfreich, um den Wasserstoffhochlauf auf europäischer Ebene voranzubringen. In der ersten Auktionsrunde hat sich allerdings gezeigt, dass Produktionsstandorte in Deutschland bislang noch nicht konkurrenzfähig sind, um von der EHB zu profitieren. Wir bewerten positiv, dass die Bundesregierung den Mechanismus „Auction as a Service“ nutzt, um gezielt inländische Produktionskapazitäten aufzubauen. Die zunächst hierfür eingesetzten 350 Millionen Euro reichen allerdings für maximal 0,9 der 10 GW zu errichtenden Elektrolysekapazität aus. Daher sollten die Mittel dringend erhöht werden.

Eine der größten energiepolitischen Herausforderungen, die die neue Bundesregierung zu lösen haben wird, ist die der Reform des Strommarktes. Der Anteil erneuerbarer Energien im Stromsystem ist in den letzten Jahren rapide gestiegen. In einer zunehmenden Zahl an Regionen steht zeitweise bereits mehr erneuerbarer Strom zur Verfügung, als das Netz aufnehmen kann. In der Energiewende geht es daher aktuell nicht mehr allein um den weiteren Ausbau neuer EE-Anlagen, sondern um eine effiziente Integration erneuerbarer Energien in das Energiesystem. Systemdienliche Flexibilitäten wie Power-to-X-Technologien tragen dazu bei, dass der Übergang von einer Stromwende in eine ganzheitliche, integrierte Energiewende mittels Sektorkopplung gelingt. Ohne ausreichende Flexibilitätsoptionen drohen steigende Kosten im erneuerbaren Energiesystem durch Eingriffe ins Netz, Verzögerungen im Netzausbau und ineffiziente Maßnahmen. Dennoch gibt es bislang kaum Anreize für eine Ansiedlung von Elektrolyseuren, Batteriespeichern und anderen Flexibilitätsoptionen an Standorten, die für das Energiesystem besonders vorteilhaft wären. Ziel muss es daher sein, kurzfristig pragmatische und marktnahe Instrumente zu entwickeln, die gezielte Anreize für die systemdienliche Platzierung von Flexibilitätsoptionen setzen.

Die Partnerinnen und Partner der Power to X Allianz sehen großes Potenzial darin, den Hochlauf von Wasserstoff und PtX-Produkten als strategische Priorität der neuen Bundesregierung zu verankern und gemeinsam wirksame Maßnahmen zu entwickeln, um Investitionshürden zu überwinden. Entscheidend ist eine enge Zusammenarbeit mit den betroffenen Branchen und Unternehmen, um praxistaugliche und wirtschaftlich tragfähige Lösungen zu gestalten. Als branchenübergreifende Initiative bringen wir unsere Expertise und Erfahrungen gerne in den Dialog ein und stehen bereit, gemeinsam mit der Politik konstruktive Ansätze für einen erfolgreichen Markthochlauf von PtX- und Wasserstofftechnologien zu erarbeiten.

Mit dem PtX-Hochlauffonds hat die Power to X Allianz bereits im vergangenen Jahr einen innovativen Finanzierungsmechanismus für den PtX-Markthochlauf vorgestellt und diesen sowohl politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern als auch dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz präsentiert. Ziel des Fonds ist es, die bestehenden Mehrkosten grüner PtX-Produkte sowohl auf der Produktions- als auch auf der Nachfrageseite auszugleichen und damit langfristige Investitionssicherheit zu schaffen. Der Fonds soll dabei haushaltsunabhängig finanziert werden – durch verursachergerechte Einnahmequellen wie die Umwidmung der Luftverkehrssteuer, gezielte PtX-Abgaben oder klimaschutzrechtliche Ordnungs- und Bußgelder. Die bereitgestellten Mittel sollen über ein wettbewerbliches Ausschreibungsverfahren investiert werden, um die Differenzkosten gezielt auszugleichen und so die ersten großskaligen PtX-Projekte in Deutschland wirtschaftlich tragfähig zu machen. Dieses Modell könnte einen entscheidenden Beitrag leisten, um den Hochlauf von PtX-Technologien marktnah und effizient zu beschleunigen.