Die Power to X Allianz appelliert an die Bundesregierung, ihren Instrumentenmix für einen Hochlauf grüner PtX-Technologien anzupassen.
Instrumentenmix der Bundesregierung braucht jetzt ein Update
Deutschland soll 2045 klimaneutral sein, bis 2030 sollen die bundesweiten Treibhausgas-Emissionen bereits um 65 % reduziert werden. Grüner Wasserstoff und grüne PtX-Produkte spielen hierfür eine essenzielle Rolle. Die Ziele der nationalen Wasserstoffstrategie tragen diesem Umstand Rechnung: Bis 2030 sollen 10 GW heimische Elektrolyseleistung installiert sein, um rund ein Drittel bis die Hälfte der erwarteten nationalen Wasserstoffnachfrage (95 bis 130 TWh (2030)) decken zu können. Aktuell besteht für fast 95 % dieses heimischen Elektrolyseziels jedoch noch keine Investitionsentscheidung, gleiches gilt auch für die Umstellung auf der Seite der Wasserstoffnutzer (z. B. auf wasserstoffbasierte Produktionsverfahren in der Industrie).
Ein zentraler Hebel für einen erfolgreichen Wasserstoff- und PtX-Hochlauf besteht darin, diese Investitionslücke mit geeigneten politischen Maßnahmen zu schließen. Klar ist: Eine „One size fits all“-Lösung gibt es hierbei nicht; d. h. es braucht einen ausgewogenen Instrumentenmix, um das Henne-Ei-Problem des grünen PtX- und Wasserstoffhochlaufes aufzulösen – Produktion, Transport und Anwendungen müssen gleichzeitig angeschoben werden. Klar ist aber auch: Der bisher implementierte Instrumentenmix der Bundesregierung bringt die benötigten Investitionsentscheidungen aktuell nicht hervor.
Diese ausbleibenden Investitionen haben zahlreiche Gründe: Die ersten Produktions- sowie Anwendungsanlagen sind verhältnismäßig teuer, da die jeweilige Lernkurve mitfinanziert werden muss. Die damit erschließbaren Skaleneffekte und Effizienzgewinne sind volkswirtschaftlich natürlich wünschenswert. Sie bedeuten betriebswirtschaftlich aber auch, dass gerade diejenigen, die als erste in derartige klimafreundliche Technologien investieren, finanzielle Nachteile gegenüber späteren Investitionen tragen müssen: Ihre grünen Wasserstoff- und PtX-Produkte oder klimafreundlichen Endprodukte werden kostenintensiver in der Herstellung sein als diejenigen, deren Produktion ein paar Jahre später in Betrieb geht. Bei Amortisationszeiträumen von zumeist über 10 Jahren würden derartige erste Produktionsanlagen sehr wahrscheinlich bereits nach wenigen Jahren zu gestrandeten Investitionen („stranded investments“).
Die Bundesregierung hat dies erkannt und bereits erste wichtige Instrumente und Maßnahmen für den Markthochlauf von grünen PtX-Produkten verabschiedet. Trotzdem müssen aus unserer Sicht jetzt der Instrumentenmix vervollständigt und bessere Anreize für die Finanzierung gesetzt werden, um den sich abzuzeichnenden Investitionsstau aufzulösen. Deshalb wird im Folgenden diskutiert, welchen Schwierigkeiten die aktuell gewählten Instrumente und Maßnahmen gegenüberstehen und wie die Hürden aus Sicht der PtX-Allianz überwunden werden könnten.
Die Klimaschutzverträge sollen die Mehrkosten des Einsatzes von Wasserstoff für die Dekarbonisierung der Industrie ausgleichen und für die zu fördernden Unternehmen erfüllen sie diesen Zweck aller Voraussicht nach auch. Sie sind daher ein unverzichtbares Instrument, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfest zu machen. Aufgrund der Orientierung der Differenzkontraktförderung am täglichen Grenzkostenpreis von Wasserstoff ermöglichen sie allerdings keine langfristigen Abnahmeverträge mit den entsprechenden Produzenten. Eine Ablösung der Klimaschutzverträge durch die „Grünen Leitmärkte“, wie vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) vorgesehen, würde daran nichts ändern. Klimaschutzverträge können daher nur sektorspezifisch wirken; d. h. für den Aufbau der notwendigen Elektrolysekapazitäten bedarf es weiterer Instrumente.
In Bezug auf die Transformation der Infrastruktur stellt der Aufbau eines H2-Kernnetzes in Deutschland einen wichtigen Meilenstein dar. Wichtig ist aber auch, vom Kern in die Fläche zu kommen: Sowohl bei der weiteren Transformationsplanung als auch der Transformationsfinanzierung sollten die Verteilnetze mit in den Blick genommen werden, die unter anderem auch wichtige Industrie- und Gewerbecluster enthalten.
Mit der European Hydrogen Bank (EHB) steht ein europaweites Instrument zur Verfügung, das produktionsseitige Differenzkosten von Wasserstoff über einen Zeitraum von 10 Jahren ausgleicht. Dies ist wichtig und hilfreich, um den Wasserstoffhochlauf auf europäischer Ebene voranzubringen. In der ersten Auktionsrunde hat sich allerdings gezeigt, dass Produktionsstandorte in Deutschland bislang noch nicht konkurrenzfähig sind, um von der EHB zu profitieren. Wir bewerten positiv, dass die Bundesregierung den Mechanismus „Auction as a Service“ nutzt, um gezielt inländische Produktionskapazitäten aufzubauen. Die zunächst hierfür eingesetzten 350 Millionen Euro reichen allerdings für maximal 0,9 der 10 GW zu errichtenden Elektrolysekapazität aus. Daher sollten die Mittel dringend erhöht werden. Auch die nun voraussichtlich angesetzte Preisobergrenze von 1,44 Euro/kg Wasserstoff, die sich aus der ersten Auktionsrunde der EHB ergibt (Preis des letzten Projekts mal den Faktor 3), wird für deutsche Projekte nur schwer zu erreichen sein.
Im Mobilitätssektor finden sich mehrere Quotenregelungen, die den Hochlauf grüner PtX-Produkte anreizen sollen. So wurde mit der Novelle der 37. BImSchV eine dreifache Anrechnung von grünem Wasserstoff auf die Treibhausgas-Minderungsquote im Verkehr ermöglicht. Vor dem Hintergrund der kostengünstigen anderweitigen Erfüllungsoptionen und der gegenwärtig niedrigen Zertifikatpreise ist allerdings aktuell keine Wirkung von diesem Instrument im Markt zu beobachten.
Im Jahr 2026 greift die nationale PtL-Quote in der Luftfahrt erstmals: Zu diesem Zeitpunkt sollen Flugzeuge an deutschen Flughäfen mit 0,5 % synthetischen Kraftstoffen betankt werden. Es befindet sich allerdings gegenwärtig keine industrielle Produktionsanlage für synthetisches Kerosin in Betrieb oder Bau. Diese Quote wird aufgrund inexistenter Produktion daher absehbar nicht erfüllt werden können. Quotenregelungen können generell auf das Ziel einzahlen, eine konstante Abnahme von grünen PtX-Produkten zu generieren. Sie können aber alleinstehend keine Investitionsentscheidungen für großskalige Produktionsanlagen auslösen, denn gerade die ersten derartigen Produktionsanlagen benötigen vor allem auch eine verlässliche Preis-Perspektive. Aufgrund einer möglichen politischen Einflussnahme auf Quoten führt das Instrument auch nicht zu einer „Bankability“ für Projekte. Im Zuge der Anpassung des Bundeshaushaltes für 2024 wurde die hierfür dringend benötigte Förderung von PtL-Produktionsanlagen allerdings weitgehend gestrichen. Dies bewerten wir als einen schwerwiegenden Fehler.
Als besonders wichtig erachten wir die Diskussion über die Einführung einer Grüngasquote für den Gasvertrieb, um die Abnahmeoptionen für Produzenten zu erhöhen, den Hochlauf klimafreundlicher Power-to-Gas-Energieträger zu beschleunigen und die Verbrauchssektoren fossilfrei zu stellen. Doch auch bei der Einführung einer Grüngasquote müssen die oben beschriebenen Aspekte zum Anlauf bedacht werden. So müssten „First-Mover“-Nachteile bei neuen Anlagen ausgeglichen werden. Die PtX Allianz wird sich aktiv in die Diskussion zur Grüngasquote einbringen.
Das Windenergie-auf-See-Gesetz ermächtigt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bereits seit 2023, jährlich eine systemdienliche Elektrolyseleistung von 500 MW auszuschreiben. Bis 2028 könnten so kumuliert zumindest 3 der angestrebten 10 GW Elektrolyseleistung realisiert werden. Aufgrund der fehlenden Definition der Systemdienlichkeit ist bisher allerdings keine Ausschreibung erfolgt. Wir appellieren an das BMWK, eine derartige praxistaugliche Definition zu erarbeiten und die Ausschreibungen durchzuführen.
In Anbetracht der ambitionierten Klimaziele bis 2030 und 2045 hat die Bundesregierung bereits zahlreiche gute marktfördernde Instrumente auf den Weg gebracht. Allerdings bedarf es dringend einer besseren finanziellen Ausstattung bestehender Instrumente zum Hochlauf grüner PtX-Produkte sowie weiterer Maßnahmen, die insbesondere die Anreize und Finanzierungsperspektiven für die Produktion, den Transport und die Anwendung setzen.
Die Power to X Allianz schlägt daher die Einführung eines PtX-Hochlauffonds vor, aus dem die noch bestehenden Mehrkosten grüner PtX-Produkte ausgeglichen werden. Der Fonds soll sich dabei primär aus verursachergerechten, haushaltsunabhängigen Einnahmequellen wie zweckgebundenen PtX-Abgaben speisen. Die Mittel sollen dann über ein Ausschreibungsverfahren als Förderung zum Ausgleich von produktionsseitigen Differenzkosten investiert werden, um die ersten PtX-Projekte im industriellen Maßstab in Deutschland zu realisieren.
Auch möchte die Power to X Allianz auf den Vorschlag eines Energiewende-Fonds des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) und Deloitte verweisen. Mithilfe eines solchen Fonds ließe sich die Eigenkapitalquote der in der Energiewende investierten Unternehmen erhöhen, um wichtige Hebeleffekte bei der Kreditaufnahme zu erwirken.