10-Punkte-Plan zur Nationalen Wasserstoffstrategie – Power to X durch Anwendungsoffenheit zum Erfolg führen

25. Februar 2020 Stellungnahmen

Die Power to X Allianz begrüßt die Nationale Wasserstoffstrategie der deutschen Bundesregierung, die einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer sektorenübergreifenden Energiewende darstellt. Sie ist überzeugt, dass in diesem Rahmen zukünftig insbesondere auch grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele leisten können. Um zeitnah einen Markthochlauf von klimafreundlichen Technologien „Made in Germany“ zu initiieren, hat die Power to X Allianz daher zehn Punkte formuliert, die in der aktuellen Fassung der Nationalen Wasserstoffstrategie noch nicht enthalten sind, aber unbedingt Berücksichtigung finden sollten.

Download des 10-Punkte-Plans der PtX Allianz

Die Power to X Allianz ist ein branchenübergreifendes Aktionsbündnis aus Unternehmen und Verbänden, welches unterschiedliche Kompetenzen rund um Power to X Technologien zusammenführt. Seit ihrer Gründung im Jahr 2017 setzt sich die Power to X Allianz für einen geeigneten Rechtsrahmen für den Betrieb und die Nutzung von PtX-Anlagen und grünen PtX-Produkten aus erneuerbaren Energien ein.

Die Nationale Wasserstoffstrategie, die kürzlich von der Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer sektorenübergreifenden Energiewende. Sie liefert wichtige Impulse für Unternehmen und schafft die Grundlage für eine Industriepolitik, die auf nachhaltiges Wachstum und auf die Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung am Standort Deutschland setzt.

Die Power to X Allianz bekennt sich zu den Pariser Klimaschutzzielen. Wir sind der Überzeugung, dass grüner Wasserstoff und seine Folgeprodukte einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung dieser Ziele leisten werden. Daher begrüßen wir die Nationale Wasserstoffstrategie ausdrücklich. Um zeitnah einen Markthochlauf dieser grünen Technologien „Made in Germany“ zu initiieren, haben wir zehn Punkte formuliert, die in der aktuellen Fassung der Nationalen Wasserstoffstrategie noch nicht enthalten sind, aber unbedingt Berücksichtigung finden sollten.

1. Fünf Gigawatt schon in fünf Jahren erreichen

Positiv hervorzuheben ist das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 rund 20 % des in Deutschland verbrauchten Wasserstoffs über CO2-freien Wasserstoff zu decken. Dies ist ein erster Schritt in Richtung eines inländischen Power to X-Marktes und Voraussetzung dafür, in einem zweiten Schritt auch Exportpotenziale von Power to X-Technologien vollumfänglich ausschöpfen zu können. Allerdings reicht es dafür nicht aus, in den kommenden zehn Jahren die im Entwurf der Nationalen Wasserstoffstrategie genannten drei bis fünf Gigawatt Elektrolyseleistung aufzubauen. Die Zielmarke von fünf Gigawatt müsste schon im Jahr 2025 erreicht werden, damit die notwendigen Lernkurven und Kostensenkungspotenziale der Technologien rechtzeitig erreicht werden können. Nur dann lassen sich die spätestens ab 2030 in großem Umfang benötigten grünen Gase und Liquids in bedarfsgerechter Größenordnung und zu entsprechend niedrigen Preisen realisieren.

2. Einsatz von PtX in allen Sektoren aktiviert notwendige Skalierungspotenziale

Die Power to X Allianz begrüßt es sehr, dass die erheblichen Klimaschutzpotenziale von PtX im Industriesektor im Entwurf der Nationalen Wasserstoffstrategie Anerkennung finden. Jedoch darf die Nationale Wasserstoffstrategie sich trotz der erheblichen Bedeutung der Nutzung von Wasserstoff in der Industrie nicht allein auf diese Anwendungen fokussieren. Vielmehr sollten alle Sektoren und Anwendungsbereiche gleichermaßen betrachtet und berücksichtigt werden.

Grüner Wasserstoff und PtX-Technologien können in allen Sektoren einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Die Nutzung von PtX-Technologien muss deshalb grundsätzlich auch allen Anwendungsbereichen offenstehen und in allen Sektoren gleichrangig ermöglicht werden. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für einen zügigen Markthochlauf von PtX-Technologien, denn nur über die Aktivierung von Skalierungspotenzialen wird der noch notwendige Schritt in die Wirtschaftlichkeit dieser Technologien zeitnah erfolgen. Eine Anwendungsoffenheit von PtX-Technologien ist ein Garant dafür, dass Deutschland global eine Spitzenreiterrolle im Kontext einer grünen Wasserstoffwirtschaft einnimmt.

Aus Gründen der Kosteneffizienz sollte der Fokus um dezentrale Erzeugungsanlagen erweitert werden. Hier kann mit kurzen Wegen Wasserstoff für die Mobilität (Schienenverkehr, Straße) erzeugt werden. Dabei ist nur wenig Marktaktivierung nötig, um aufgrund von Skaleneffekten marktgängige Preise für grünen Wasserstoff zu erreichen. Dezentrale PtG-Anlagen mit regionaler Wertschöpfung sowie direkt sichtbarem Nutzen für weite Teile der Bevölkerung können die Akzeptanz auch für den weiteren zügigen EE-Ausbau positiv beeinflussen.

3. Existierende Zahlungsbereitschaften für PtX sind zu berücksichtigen:

Die Nationale Wasserstoffstrategie kündigt konkrete Förderprojekte für die Erzeugung von Wasserstoff im Industriesektor an. Dort konkurriert grüner Wasserstoff mit konventionellen Anlagen im industriellen Maßstab, die aufgrund von Skalenvorteilen und einem niedrigen CO2-Preis in hohem Maße kosteneffizient sind. Grüner Wasserstoff ist daher im Vergleich zu grauem Wasserstoff noch sehr teuer. Die beste Förderung wird nicht zum Erfolg führen, wenn es keine Nachfrage nach grünem Wasserstoff in den Zielmärkten gibt. Die Schaffung attraktiver Märkte für CO2-freien Wasserstoff sollte deshalb ein wesentlicher Kern einer Wasserstoffstrategie sein.

Ein intelligenter Markthochlauf sollte hierbei die Zahlungsbereitschaften der unterschiedlichen Zielmärkte betrachten. Diese sind aktuell in der Fahrzeugindustrie mit bis zu 475 €/t am höchsten, da den Automobilherstellern bei einer Nichterreichung der europäischen CO2-Flottengrenzwerte hohe Strafzahlungen drohen. Daher begrüßt die PtX Allianz die Prüfung einer Anrechnung von synthetischen Kraftstoffen in der CO2-Flottenregulierung. Die zweithöchste Zahlungsbereitschaft liegt im Kraftstoffsektor mit heute 250 – 400 €/t. Daher sollten nicht diejenigen Bereiche ausgeschlossen werden, in denen schon heute hohe CO2-Minderungskosten bestehen und die Kosten für die Einführung von grünem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten großenteils oder ganz von den Marktteilnehmern übernommen werden können.

4. Schnelle und ambitionierte Umsetzung der RED II nötig:

Die Power to X Allianz begrüßt die Ankündigung, die EU-Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) zeitnah in nationales Recht umzusetzen. Um eine Nachfrage nach CO2-freiem Wasserstoff und seinen Folgeprodukten im Rahmen der RED II zu ermöglichen, ist eine möglichst ambitionierte Umsetzung notwendig. Die Power to X Allianz wird im März 2020 einen eigenen, praktikablen Vorschlag zur nationalen Umsetzung der RED II vorlegen, der Planungs- und Investitionssicherheit ermöglicht.

Eine zeitliche Dringlichkeit ist aus Sicht der PtX Allianz insbesondere hinsichtlich Art. 27 der RED II geboten. Dieser regelt die Möglichkeit des erneuerbaren Strombezugs von Elektrolyseuren über das öffentliche Netz, die z.B. durch Raffinerien betrieben werden, sowie weitere damit verbundene Anforderungen. Durch den Ersatz von grauem durch grünen Wasserstoff in Raffinerieprozessen und den Rollout regenerativer synthetischer Kraftstoffe können CO2-Emissionen im Verkehrssektor signifikant reduziert werden. Insoweit ein europäischer Rechtsakt der Europäischen Kommission dafür notwendig ist, sollte die deutsche Ratspräsidentschaft genutzt werden, die Europäische Kommission zur zügigen Umsetzung anzutreiben. Darüber hinaus ruft die Power to X Allianz die Bundesregierung dazu auf, eine Mindestquote für regenerativen Wasserstoff und regenerative synthetische Kraftstoffe zu prüfen.

5. EEG-Umlage für Wasserstoff aus erneuerbaren Energien streichen:

Um die Differenz in den Gestehungskosten zwischen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und Wasserstoff aus fossilen Quellen auszugleichen und den Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit zu geben, spricht sich die Power to X Allianz dafür aus, Anpassungen und Verbesserungen des geltenden nationalen Rechtsrahmens umzusetzen. So sind Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und sämtliche PtX-Folgeprodukte bei netz- und systemdienlicher Produktion von der EEG-Umlage auszunehmen. Dabei muss sichergestellt werden, dass Anlagen, die heute die besondere Ausgleichsregelung nutzen, durch eine EEG-Befreiung nicht schlechter gestellt werden.

6. Nur erneuerbaren Strom für Elektrolyse nutzen:

Die Power to X Allianz setzt sich für PtX-Technologien ein, die ausschließlich erneuerbaren Strom für die Elektrolyse nutzen. Dies ist ein Kernbestandteil des Markteinführungsprogramms für PtX-Technologien, welches die Power to X Allianz entwickelt und im April 2019 vorgelegt hat[1]. Die Erzeugung grünen Wasserstoffs mittels Elektrolyse, seine Nutzung sowie die Weiterverarbeitung zu vielfältigen Folgeprodukten sollten im Mittelpunkt der politischen Anstrengungen der Bundespolitik und damit auch der Nationalen Wasserstoffstrategie stehen.

7. Potenziale von PtX werden auch im Gebäudesektor benötigt:

Die Nutzung von Wasserstoff, synthetischem Methan, synthetischem Propan/Butan und synthetischen flüssigen Energieträgern eignet sich in Kombination mit Effizienzsteigerungen und der direkten Einbindung erneuerbarer Energien (bspw. Solarthermie) besonders gut für eine schnelle und umfassende Wärmewende. Deshalb sollten sie als Alternativen zu direktelektrischen Wärme- und Kältetechnologien betrachtet und regulatorisch gleichrangig behandelt werden. Synthetische Brennstoffe aus PtX können eine bedeutsame Rolle für eine zügige und flächendeckende CO2-Minderung im Gebäudesektor einnehmen, da sie herkömmlichen fossilen Brennstoffen problemlos in sukzessiv steigenden Mengen beigemischt werden können. Zudem weisen grüne Gase und Liquids die gleichen Vorteile wie herkömmliche Brennstoffe auf: Sie verfügen über eine hohe Energiedichte, sind gut speicherbar und leicht transportierbar. Auch deshalb ist eine hohe Akzeptanz bei Verbrauchern zu erwarten. Die Bedeutung von PtX im Wärmesektor muss deshalb eine stärkere Berücksichtigung finden – gerade in der Nationalen Wasserstoffstrategie und dem dort verankerten Aktionsplan.Ebenso wie in den anderen Sektoren sollten konkrete, geförderte Demonstrationsprojekte im Wärmebereich in die Strategie aufgenommen werden.

8. Potenziale von PtX in allen Bereichen des Verkehrs nutzen:

Für den Verkehrssektor setzt sich die PtX-Allianz für eine progressiv ansteigende Beimischung von PtX-Produkten zu konventionellen Kraftstoffen in allen Verkehrsbereichen, auch jenseits des Flug- und Schiffsverkehrs, ein. Die PtX Allianz begrüßt es ausdrücklich, dass die breite Vielfalt der wasserstoffbasierten Mobilitätsanwendungen Berücksichtigung im Entwurf der Nationalen Wasserstoffstrategie gefunden hat. Insbesondere über die Anrechenbarkeit von nicht für die RED-2-Erfüllung genutzten innovativen Kraftstoffen auf die CO2-Flottenzielwerte von Neufahrzeugen würden unmittelbar wirksame Investitionsanreize geschaffen, dies sogar ohne jegliche staatliche Förderung oder Subventionierung. 

9. CO2-Einspar- und Abwärmepotenziale nutzen:

Die Nationale Wasserstoffstrategie lässt bislang die CO2-Einsparpotenziale, die bei der Abwärmenutzung von Elektrolyseuren entstehen, außen vor. Dies sollte aus der Sicht der Power to X Allianz stärker adressiert werden, z.B. durch die Förderung entsprechender Anlagen im KWK-Gesetz. Denn die Nutzung von Elektrolyse-Abwärme ermöglicht eine CO2-freie bzw. -neutrale Wärmeversorgung zu niedrigen Kosten.

Auch die Potenziale, die durch die Verknüpfung der Biogastechnologie mit der Elektrolysetechnologie entstehen, werden nicht benannt. Viele der bestehenden Biogasanlagen könnten um eine Elektrolyseeinheit ergänzt werden, die das vorhandene CO2 der Biogasanlagen nutzt, und so ihren Output an Biomethan nahezu verdoppeln. Dies gilt auch für Prozesse, die die Herstellung von erneuerbaren flüssigen Energieträgern auf Biomassebasis mit Elektrolysetechnologien kombinieren (PtBtL).

10. Internationale Aspekte von PtX mitdenken:

Es ist wichtig, die Nutzung von grünem Wasserstoff und PtX im globalen Maßstab zu denken. Nur wenn weltweit grüner Wasserstoff und synthetische gasförmige und flüssige Energieträger erzeugt, gehandelt und über bestehende Infrastrukturen transportiert werden, können sie europaweit und global zum Klimaschutz erheblich beitragen. Rezente Studien zur Energiewende in Deutschland oder Mitteleuropa gehen davon aus, dass in Zukunft der größte Anteil an PtX-Produkten durch Importe getragen wird. Daher begrüßt es die PtX Allianz in besonderer Weise, dass die Bundesregierung im Rahmen von Energiepartnerschaften mit europäischen und außereuropäischen Staaten den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Aufbau von Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab anstoßen und voranbringen will. Die PtX Allianz und die einzelnen Allianzpartner stehen in diesem Kontext als Ansprechpartner und für den Aufbau gemeinsamer Aktivitäten sehr gerne zur Verfügung.

Die Power to X Allianz begrüßt das Vorhaben der Bundesregierung, Governance-Strukturen zur Abstimmung, Umsetzung und Monitoring der Nationalen Wasserstoffstrategie zu bilden. Die Allianzpartnerinnen und Allianzpartner stehen als fachkundige und dialogorientierte Akteure bereit, sich im Rahmen dieser neuen Governance-Struktur, namentlich dem Nationalen Wasserstoffrat, gemeinsam mit anderen Experten dafür einzusetzen, dass der Markthochlauf von PtX-Technologien erfolgreich gelingen wird.


[1] https://www.ptx-allianz.de/markteinfuehrungsprogramm/