Grüner Wasserstoff und PtX-Technologien müssen allen Anwendungen offenstehen.

20. Dezember 2019 Stellungnahmen

Ohne anwendungsoffenen Einsatz von PtX-Technologien keine erfolgreiche und sozialverträgliche Energiewende: Der Weg in das klimaneutrale Energiesystem braucht kein „entweder-oder“, sondern faire Rahmenbedingungen für alle Klimaschutztechnologien.

Download der Stellungnahme der PtX Allianz

Keine Verengung auf wenige Einsatzbereiche aus politischen Gründen

Die PtX Allianz begrüßt es, dass sowohl auf nationaler Ebene mit dem Klimapaket und der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung als auch auf europäischer Ebene mit dem „Green Deal“ der EU-Kommission wichtige klimaschutz- und energiepolitische Maßnahmen auf den Weg gebracht werden sollen.

Die zuletzt beschlossene Erhöhung des Einstiegspreises in die CO2-Bepreisung für die Sektoren Wärme und Verkehr von 10 auf 25 Euro im Jahr 2021, die bis 2025 auf 55 Euro wird von der PtX Allianz unterstützt. Die Mehrerlöse aus der CO2-Bepreisung sollten in den Markthochlauf gasförmiger und flüssiger synthetischer Energieträger im Wärme- und Verkehrssektor reinvestiert werden. Das 2019 von der PtX-Allianz vorgestellte Markteinführungsprogramm (MEP) für PtX-Anlagen bietet dafür einen passenden und wettbewerblichen Rahmen.

Im Gegenzug zur Einführung der oben genannten CO2-Bepreisung soll die EEG-Umlage gesenkt werden. Die PtX Allianz fordert in diesem Kontext, dass die Erlöse aus dem höheren CO2-Preis auch dazu genutzt werden, die EEG-Umlage auf den Strombezug von PtX-Anlagen für eine Abschreibungszeit von 12 Jahren zu streichen.

Unter dem Leitmotiv „efficiency first“ sehen unterschiedliche Akteure aus Politik und einigen Verbänden nach wie die direkte Nutzung erneuerbaren Stroms als einzig sinnvolle technologische Option für Anwendungen im Wärme- und Verkehrssektor an. Bei dieser Strategie werden aber die volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Effizienz, soziale und sozioökonomisch-strukturelle Auswirkungen, Resilienz sowie gesellschaftliche Akzeptanz von Technologien und Anwendungen kaum betrachtet. Wenn der epochale Prozess hin zur vollständigen Klimaneutralität von Energiesystem und Ökonomie gelingen soll, sind diese Dimensionen jedoch von enormer Bedeutung. PtX-Technologien tragen ihnen in besonderer Weise Rechnung. Eine weitere politische Diskussion über ein „entweder-oder“ von direktelektrischen Lösungen und PtX ist nicht sinnvoll, geht an den Bedürfnissen der Bürger und Unternehmen vorbei und hemmt den Wettbewerb und den Innovationsdruck, den die Energiewende dringend benötigt. Stattdessen sollte die energiepolitische Debatte des Jahres 2020 die Überschrift „Sowohl-als auch“ bzw. „eine erfolgreiche Energiewende braucht ALLE technologischen Optionen“ tragen.

Die Partner der PtX Allianz sind der Überzeugung, dass die Möglichkeit der Nutzung von PtX-Technologien in allen Bereichen des Verkehrs-, Gebäude- und Energiesektors sowie in der Industrie essenziell für eine sozialverträgliche, kosteneffiziente sowie effektive Reduktion von THG-Emissionen ist. Einigkeit herrscht zwischen einer Vielzahl von sehr unterschiedlichen Akteuren und Interessengruppen, dass eine Dekarbonisierung um mehr als 80 Prozent bis 2050 nur mit PtX Technologien möglich ist [1]. Auf dem Weg zur Erreichung der Klimaneutralität in Deutschland und Europa sollten daher keinesfalls effektive Klimaschutztechnologien ex ante für die Anwendung in bestimmten Sektoren faktisch ausgeschlossen werden. Durch die sektorenübergreifende Nutzung von PtX-Produkten kann ein wichtiger Beitrag zur Defossilisierung des Gebäude-, Verkehrs-, Industrie und Energiesektors erreicht werden. Auf diese Weise wird es möglich, dass die Energiewende und der Transformationsprozess auf dem Weg zur Klimaneutralität technisch überhaupt erst möglich wird und gleichzeitig sozialverträglich und volkswirtschaftlich effizient organisiert werden.  

•             Die PtX Allianz begrüßt es, dass PtX-Technologien mittlerweile eine steigende Bedeutung in Hinblick auf eine zügige und umfassende Reduktion der THG-Emissionen zugeschrieben wird. So sollen EE-basierte grüne Gase und Liquids aus Sicht des Bundesumweltministeriums zukünftig insbesondere im Flugverkehr und in der Chemie- und Stahlindustrie Anwendung finden. In diesen Anwendungsfeldern werden PtX-Energieträger zweifelsohne einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaneutralität leisten.

Allerdings wird das Klimaschutzpotenzial von Power to X in anderen Anwendungsfeldern, wie z.B. im Gebäudebereich oder im Straßenverkehr, bisher von Teilen der der Bundesregierung und anderen Akteuren zu wenig berücksichtigt. Die Nutzung von gasförmigen und flüssigen synthetischen Energieträgern kann gerade auch in diesen Sektoren erheblich dazu beitragen, dass die Treibhausgasemissionen kontinuierlich sinken. Darüber hinaus verläuft über den Einsatz von Power to X der Prozess hin zur Klimaneutralität 2050 transformativ und nicht disruptiv: Bestehende Infrastrukturen, Heizgeräte, Fahrzeuge, Maschinen und Anlagen können weiter genutzt werden, was volkswirtschaftlich überaus sinnvoll ist. Verbrauchern und Unternehmen bleiben so für den Klimaschutz unnötige Investitionen in neue Anlagen oder Fahrzeuge erspart. Dadurch wird die Akzeptanz des gewaltigen Veränderungsprozesses hin zum klimaneutralen Energie- und Wirtschaftssystem dauerhaft gestärkt. Das betrifft nicht nur Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen, sondern auch KMU und Industrieunternehmen.

Ein frühzeitiges Ausschließen bestimmter Klimaschutztechnologien für definierte Anwendungsbereiche würde zudem wettbewerbs- und innovationshemmend wirken und erhöht das Risiko, dass die CO2-Ziele der Politik für 2030 und 2050 erneut verfehlt werden. Daher kann aus Sicht der PtX Allianz nur ein sektorenübergreifender, technologie- und anwendungsoffener Ansatz eine effiziente und sozialverträgliche Wärme-, Verkehrs- und Energiewende voranbringen und zu einer breiten und dauerhaften gesellschaftlichen Akzeptanz führen.

•             Mit Blick auf den Verkehrssektor setzt sich die PtX Allianz für eine progressiv ansteigende Beimischung von PtX-Produkten zu konventionellen Kraftstoffen in allen Verkehrsbereichen, auch jenseits des Flugverkehrs, ein. Bisher konzentrierte sich die staatliche Förderung sehr einseitig auf die Elektromobilität. Auch im Flugverkehr erfolgte bisher nur eine Erhöhung der Kosten, z.B. in Form der Anhebung der seit 2011 erhobenen Flugverkehrssteuer zum 1. April 2020. Maßnahmen zur Entwicklung des Marktes für synthetische und Biokraftstoffe aus erneuerbaren Energiequellen für den Flugverkehr lassen allerdings auf sich warten. Die Einführung einer moderat ansteigenden THG-Quote auf europäischer Ebene würde den nachhaltigen Einstieg in den klimaneutralen Flugverkehr befördern. Als Kompensation für den höheren Preis synthetischen Kerosins sollte den Fluggesellschaften eine Mehrfachanrechnung im ETS bzw. CORSIA eingeräumt werden. Gerade Deutschland als Land der Luftfahrtpioniere und als erklärter Vorreiter beim Klimaschutz sollte hier gemeinsam mit anderen EU-Staaten vorangehen. Darüber hinaus kann einem sinnvollen Prinzip Rechnung getragen werden: Zusätzliche Einnahmen aus Steuern bzw. Erlöse aus der CO2-Bepreisung im Verkehrssektor sollten insbesondere auch dem Markthochlauf von synthetischen Kraftstoffen aus erneuerbaren Energien zu Gute kommen.

Synthetische Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien sind darüber hinaus im Schwerlast- und Fernverkehr nahezu alternativlos, wenn es darum geht, hohe Reichweiten zu ermöglichen und gleichzeitig die THG-Emissionen sukzessive und signifikant zu reduzieren. Die CO2-Emissionen der Bestandsflotte von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen, immerhin 50 Millionen Fahrzeuge in Deutschland, können zudem durch die Nutzung steigender Anteile von synthetischen Triebstoffen immer weiter reduziert werden. Dadurch können viele Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.

•             Im Gebäudesektor postuliert die PtX Allianz ebenfalls einen technologieoffenen Ansatz zur Gewährleistung einer sozialverträglichen Wärmewende. Bisher liegt der Fokus zahlreicher Akteure in der Politik nahezu ausschließlich auf der Direktnutzung von erneuerbarem Strom zur Wärme- und Kältenutzung. Synthetische Brennstoffe aus erneuerbaren Energien wie grüner Wasserstoff, synthetisches Methan und synthetisches Propan/Butan sowie grünes Heizöl sollten künftig als gleichrangige Alternativen betrachtet und auch gleichrangig regulatorisch behandelt werden. Sowohl in ländlichen Gebieten als auch in städtischen Ballungsräumen sind Maßnahmen, die hohe Anforderungen an Energieeffizienz und Klimaschutz bei Nutzung bestehender Infrastrukturen beim Netzbetreiber und beim Kunden erfüllen, besonders geeignet, effektiv und akzeptanzfördernd. Synthetische Brennstoffe aus Power to X können auch hier eine bedeutsame Rolle spielen, da sie herkömmlichen fossilen Brennstoffen problemlos in sukzessiv steigenden Mengen beigemischt werden können. Zudem weisen grüne Gase und Liquids die gleichen Vorteile wie herkömmliche Brennstoffe auf: Sie verfügen über eine hohe Energiedichte, sind gut speicherbar und leicht transportierbar. Auch deshalb ist eine hohe Akzeptanz bei Verbrauchern zu erwarten.

•             Power to X ist ein zentraler Lösungsansatz für eine erfolgreiche und sozialverträgliche Energiewende. Daher postuliert die PtX-Allianz:

1. Faire Wettbewerbsbedingungen („level playing field“) für alle unterschiedlichen Klimaschutztechnologien: PtX ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen, zu bezahlbaren Kosten einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Soziale Verwerfungen werden vermieden und die gesellschaftliche Akzeptanz für klimapolitische Maßnahmen dauerhaft gesichert. Es geht darum, die Lernkurve von PtX in unterschiedlichen Anwendungsfällen zu durchlaufen und die Kosten für die Technologie zu senken (vgl. das Markteinführungsprogramm der PtX-Allianz vom April 2019)

2. Sofortmaßnahmen, die den Ausbau der Windkraft und der Photovoltaik zügig erheblich und dauerhaft steigern: Die Klimaschutzziele können nur erreicht werden, wenn erneuerbarer Strom als Primär- und Basisenergie für die direkte Nutzung und die Umwandlung in grünen Wasserstoff und grüne gasförmige und flüssige Energieträger in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Der Erfolg der Energiewende hängt wesentlich vom Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland und weltweit ab. Daher sollte der PV-Ausbaudeckel im EEG schleunigst aufgehoben, die enormen Potenziale von PV-Dachanlagen gehoben und der Ausbau der Windkraft an Land und Offshore wieder dauerhaft in Gang gebracht werden. Rigide Mindestabstandsregeln sind dabei kontraproduktiv, denn Akzeptanz entsteht nicht durch Distanz, sondern durch vielfältige, technologieoffene und kostengünstige Anwendungen.


[1] Z.B. „enervis META-Studie Sektorenkopplung“ (Mai 2018) oder „dena-Leitstudie Integrierte Energiewende“ (Juli 2018)