Leitplanken zur Vollendung der Energiewende: Power to X Allianz begrüßt Update der Nationalen Wasserstoffstrategie

3. Mai 2023 Stellungnahmen

Die Power to X Allianz begrüßt das Update der Nationalen Wasserstoffstrategie. Um nun eine schnellere und marktgetriebene Skalierung von Power to X (PtX)-Technologien zu erreichen, hat die PtX Allianz Leitplanken definiert.

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Im Juni 2020 verabschiedete die Bundesregierung die erste Nationale Wasserstoffstrategie (NWS). Sie erkannte darin die Potenziale von grünem Wasserstoff und dessen flüssigen und gasförmigen Folgeprodukten, die im Industrieland Deutschland auch langfristig ein integraler Teil des Energiesystems bleiben werden und brachte Maßnahmen auf den Weg, um den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft zu fördern. Die neue Bundesregierung hat diesen Anspruch aufgegriffen und plant, die NWS weiterzuentwickeln. Der Koalitionsvertrag formuliert einen Leitmarktanspruch für Wasserstofftechnologien bis 2030 und sieht die Verdopplung der Ziele auf 10 Gigawatt (GW) im Jahr 2030 vor. Dieses Update soll in den kommenden Wochen mit dem Nationalen Wasserstoffrat konsultiert und im Bundeskabinett beschlossen werden. Um nun eine schnellere und marktgetriebene Skalierung von Power to X (PtX)-Technologien zu erreichen, betont die PtX Allianz folgende Leitplanken:

Ambitionierte Ziele und eine hohe Umsetzungsgeschwindigkeit für einen erfolgreichen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft

Aus Sicht der PtX Allianz ist die Fortschreibung der ersten NWS ein wichtiger Baustein zur Vollendung der Energiewende und die bisher bekanntgewordenen Details bieten gute Ansätze, um eine grüne Wasserstoffwirtschaft in Deutschland aufzubauen. Auch wenn es beim Start der Wasserstoffwirtschaft fossilen kohlenstoffarmen Wasserstoff brauchen wird, sollten Förderinstrumente darauf gerichtet sein, erneuerbarem Wasserstoff, insbesondere auch aus heimischer Erzeugung, „Vorfahrt“ zu gewähren – auch um dessen Beitrag zur Systemintegration erneuerbarer Energien heben zu können.

Zu den guten Ansätzen gehört die Ankündigung des bald zu erwartenden Wasserstoff-Beschleunigungsgesetzes zur Vereinfachung des Regelungs- und Rechtsrahmens sowie die Betonung der notwendigen Normung/Harmonisierung. Die angekündigte Importstrategie ist sehr begrüßenswert, da hiermit der Notwendigkeit für zusätzliche Importe nach Deutschland Rechnung getragen wird. Benötigt wird über den bislang bekannten Entwurf hinaus jedoch nicht nur eine ambitioniertere Anhebung des Ausbauziels für die heimische Wasserstofferzeugung, sondern angesichts des kurzen, bis 2030 noch verbleibenden Zeitraums auch eine Perspektive nach 2030,da ein wesentlicher Teil des vorgeschlagenen Ausbaus und der Marktentwicklung erst nach 2030 stattfinden kann. Ein einfach gestricktes und pragmatisches Fördersystem wäre in der NWS dienlich, um die noch bestehende Finanzierungslücke für heimische Projekte zu schließen und damit die Versorgungssicherheit sowie Integration erneuerbarer Energien zu fördern. Kritisch ist am aktuellen Entwurf der NWS zu sehen, dass die angekündigten Ausbauziele für die einzelnen Programme nicht hinreichend mit Fördermitteln hinterlegt sind – absehbar werden mit den vorgesehenen Maßnahmen die Ziele der NWS nicht erreicht. Hinzu kommt, dass die Auktionen für „systemdienliche Elektrolyseure“ nicht auf die Ziele für 2030 einzahlen, wenn die Auktionstermine nach 2026 liegen. Daher braucht es neben einer Aufstockung der Förderprogramme für Onshore-Elektrolyse auf insgesamt mindestens 4 GW bis 2026 auch eine Ergänzung der NWS um eine „Offshore-H2-Strategie“ mit einem Gesamtziel von 10 GW bis 2035. Als erster Teil dieser Strategie ist es erforderlich, zusätzlich zu der bereits geplanten Auktion für das erste Offshore-H2-Gebiet (SEN-1) die Ausschreibung von einem weiterem GW Offshore-Elektrolyse in der NWS zu verankern, um den Hochlauf der Technologie zu ermöglichen. Generell erzeugt der neu eingefügte Finanzierungsvorbehalt kein Vertrauen auf der Investorenseite.

Gleichzeitig ist es mit Blick auf den „Inflation Reduction Act“ der Vereinigten Staaten von zentraler Bedeutung, dass Investitionsentscheidungen für PtX-Projekte in Deutschland von einer breiten Akteursvielfalt sehr kurzfristig auch tatsächlich getätigt werden können. Nur wenn es gelingt, noch in dieser Legislaturperiode einen relevanten Zubau in Deutschland zu realisieren, bleiben die politischen Ziele für 2030 erreichbar. Für den schnellen Markthochlauf ist auch der Zubau der Infrastruktur unerlässlich und sollte schneller als geplant erfolgen.

Die Nutzung von Power to X-Produkten muss allen Sektoren als Dekarbonisierungsoption offenstehen

Ungeachtet der Tatsache, dass für den schnellen Markthochlauf einer nachhaltigen PtX-Wirtschaft auch Fördermittel benötigt werden, ist das Zielbild der PtX Allianz ein effizienter Markt für PtX-Produkte, der primär von Klimaschutzanstrengungen und -instrumenten getragen wird. Dafür müssen grüner Wasserstoff und seine flüssigen und gasförmigen Folgeprodukte eine breit verfügbare handelbare Ware werden und sektorübergreifend Hand in Hand mit anderen Klimaschutzmaßnahmen zum Einsatz kommen. Eine Vorverteilung von grünem Wasserstoff auf einzelne Sektoren oder der generelle Ausschluss verlangsamt den Hochlauf und versperrt den Weg für Skalen- und Lerneffekte, die ihrerseits nötig sind, um die Förderungskosten zu minimieren. Darüber hinaus erhöht die Eingrenzung auf wenige Anwendungsfälle das Investitionsrisiko in PtX-Technologien.

Die Leitungs- und Speicherinfrastruktur für Wasserstoff und Folgeprodukte muss mit hoher Geschwindigkeit von der Industrie unter Nutzung einer staatlichen Anschubfinanzierung aufgebaut werden

Grüner Wasserstoff und seine flüssigen und gasförmigen Folgeprodukte können in vielen Anwendungen mit bestehender Infrastruktur genutzt werden. Insbesondere Power to Liquid (PtL) und Power to Gas (PtG) oder Wasserstoff, der in flüssigen organischen Wasserstoffträgern (LOHC) gebunden ist, kann in hohem Maße die bestehende Infrastruktur nutzen. Die LOHC-Technologie ermöglicht es, Wasserstoff bei Umgebungstemperatur und unter hohen Speicherdichten mittels konventioneller Flüssigbrennstoffinfrastruktur zu speichern und zu transportieren. Bei der Ertüchtigung der Gasnetze für den Transport von Wasserstoff gilt es nun, Sicherheit für die Akteure herzustellen, die bereits planerisch in Vorleistung gegangen sind, und das Momentum und Know-how privater Akteure aufzugreifen. Während klare Zuständigkeiten und eine gemeinsame Koordination wichtige Bausteine eines schnellen Infrastrukturaufbaus sind, birgt die avisierte Etablierung einer zentralen Wasserstoffnetzgesellschaft die Gefahr, viel Zeit in Anspruch zu nehmen und dadurch den Aufbau der dringend benötigten Infrastruktur massiv zu verzögern. Zudem müssen nicht nur Netze berücksichtigt werden, sondern es muss kurzfristig auch ein Konzept für Wasserstoffspeicher vorgestellt werden. Speicher haben eine große Bedeutung nicht nur für den saisonalen Ausgleich, sondern – und das ist in der NWS verstärkt zu würdigen – insbesondere als Flexibilitätsoption zur Sicherung einer kontinuierlichen bzw. bedarfsgerechten Belieferung der Sektoren bei gleichzeitiger schwankender Wasserstofferzeugung aufgrund intermittierender EE-Stromerzeugung. Angesichts des notwendigen zeitlichen Vorlaufs für die Errichtung von Wasserstoffspeichern muss die Umsetzung bereits in den nächsten zwei Jahren in Angriff genommen werden, damit bis 2030 ausreichende Volumina zur Verfügung stehen.

Die ausgewogene Balance zwischen Systemintegration und der Produktion im industriellen Maßstab ist eine zentrale Stellschraube

Um den Hochlauf zu beschleunigen, ist es fundamental, grünen Wasserstoff und PtX-Produkte als breit gehandelte Rohstoffe in Industrie, Verkehr, Wärme und Stromerzeugung zu etablieren. Vor dem Hintergrund des europäischen und globalen Wettbewerbs sollte die Frage, wie erneuerbare Energien mittels Elektrolyse besonders gut in das Energiesystem zu integrieren sind, zwar beantwortet, aber nicht über den gerade erst beginnenden Markthochlauf priorisiert werden. Keinesfalls sollten die EU-weiten Vorgaben zu Strombezugskriterien im Rahmen des delegierten Rechtsaktes nach Art. 27 RED II in Deutschland durch weitergehende nationale Anforderungen an die Standortwahl und Betriebsweise von PtX-Anlagen verschärft werden.