Systemdienliche Elektrolyse: Mit Flexibilität Kosten senken

23. Mai 2025 Stellungnahmen

Die PtX-Allianz sieht akuten politischen Handlungsbedarf: Systemdienliche Elektrolyse muss gezielt unterstützt werden – durch pragmatische Reformen, klare Anreize und einen verlässlichen Ordnungsrahmen.

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Der Ausbau erneuerbarer Energien schreitet voran – vielerorts steht zeitweise mehr erneuerbarer Strom zur Verfügung, als Netz und Verbraucher aufnehmen können. Damit wird zunehmend entscheidend, erneuerbare Energien effizient ins Gesamtsystem zu integrieren. Elektrolyseure schaffen dafür dringend benötigte Flexibilität: Sie nutzen überschüssigen erneuerbaren Strom, entlasten Netze und machen erneuerbare Energie in Form von Wasserstoff für Industrie, Verkehr und Wärme nutzbar.

Um dieses Flexibilitätspotenzial systemisch wirksam zu machen, braucht es einen zügigen und umfassenden Ausbau von Elektrolyseuren sowie von Batteriespeichern. Diese tragen dazu bei, Abregelung und Importe zu reduzieren – und damit die Kosten des gesamten Energiesystems zu senken. Zudem leisten Elektrolyseure und Batteriespeicher einen wesentlichen Beitrag zur Integration hoher Anteile erneuerbarer Energien: Rund ein Fünftel des Endenergieverbrauchs muss im erneuerbaren Energiesystem zwischenzeitlich gespeichert werden.1

Trotz dieser zentralen Rolle bleibt der politische Rahmen bislang hinter dem systemischen Bedarf zurück: Der politische Fokus liegt bislang auf der Netzdienlichkeit von Elektrolyseuren, insbesondere der Entlastung von Netzengpässen in der Höchstspannungsebene. Doch Systemdienlichkeit geht weiter: Neben der Netzintegration zählt auch die Anbindung an eine Wasserstoffinfrastruktur sowie die Einbindung in weitere Sektoren. Entscheidend ist, dass Elektrolyseure dort angesiedelt werden, wo sie Netzengpässe vermeiden, Kosten senken und den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch erhöhen.

Ein zentrales Instrument für die systemdienliche Ansiedlung von Elektrolyseuren ist der bereits bestehende Mechanismus „Nutzen statt Abregeln 2.0“ (NsA 2.0) nach §13k EnWG. Das Instrument soll die Nutzung abgeregelten Stroms für Elektrolyse ermöglichen, bislang gibt es allerdings nach unserem Kenntnisstand keine teilnehmenden Elektrolyseprojekte. Gleichwohl der Mechanismus eine leichte Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Elektrolyseprojekten gewähren kann, kann durch die Teilnahme am Mechanismus allein kein Business Case für die Produktion von grünem Wasserstoff entstehen. Der überwiegende Anteil erneuerbaren Stroms zur Erreichung einer kritischen Anzahl von etwa 4.000 Volllaststunden jährlich muss aus anderen DA-konformen Quellen – insbesondere PPA- oder Direktstrombezug – stammen, um grünen Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren zu können. Bisher zeigt sich, dass der Verteuerungseffekt der strengen Strombezugskriterien nach Artikel 27 (3) RED II (siehe unten), lange Planungs- und Bauzeiten sowie ein komplexer Genehmigungsprozess eine breite Teilnahme von Elektrolyseuren am Mechanismus verhindern. Daher müssen die Rahmenbedingungen dringend angepasst werden, damit NsA 2.0 tatsächlich Redispatch-Strom für die Wasserstoffproduktion nutzbar macht und die Gesamtsystemkosten senkt.

Die PtX Allianz sieht deshalb akuten politischen Handlungsbedarf: Systemdienliche Elektrolyse muss gezielt unterstützt werden – durch pragmatische Reformen, klare Anreize und einen verlässlichen Ordnungsrahmen. Um das wirkungsvoll und abgestimmt umzusetzen, schlagen wir die zügige Einführung eines Systemeffizienz-Mantelgesetzes vor, das unter anderem die nachfolgenden Stellschrauben für die systemdienliche Elektrolyse bündelt. Darüber hinaus sollten auch Anreize für weitere Flexibilitäten wie Batteriespeicher oder flexible Verbraucher ins Gesetz integriert werden, um eine Harmonisierung zu gewährleisten und das Kannibalisierungsrisiko als Markthemmnis zu senken.

  • Die geplanten Ausschreibungen für systemdienliche Elektrolyseure nach §96 Nr. 9 WindSeeG umgehend durchgeführt werden. Damit dieses Instrument tatsächlich die angestrebten 3 GW Elektrolyseleistung realisieren kann, muss die neue Bundesregierung das jährliche Volumen der Ausschreibung auf 1 GW anpassen. Um hier schnell voranzukommen, könnte in den ersten Ausschreibungen auf die Definition der Systemdienlichkeit anhand der Entlastungsregionen nach NsA 2.0 zurückgegriffen werden. Perspektivisch sollten jedoch auch das lokale EE-Potenzial, die Abnahme von Wasserstoff- und Nebenprodukten sowie die Nähe von Wasserstoffinfrastruktur wie Netzen und Speichern eine Rolle bei der Förderung systemdienlicher Ansiedlungen spielen.
  • Es zeigt sich, dass kleine bis mittlere Elektrolyseure an Standorten mit hohem EE-Potenzial und gleichzeitigem Wasserstoffbedarf an einer Vielzahl von Standorten im ganzen Bundesgebiet systemdienlich wirken und den Hochlauf in dieser bedeutenden Phase voranbringen können.2 Gleichzeitig finden diese Standorte bislang keinerlei Beachtung in der systemdienlichen Ansiedlung von Projekten. Daher regen wir an, ein gesondertes Förderprogramm für kleine und mittlere Elektrolyseure bis 50 MW an ebensolchen Standorten aufzulegen.
  • Systemdienliche Elektrolyseure entlasten gezielt die Netze und vermeiden kostenintensive Redispatch-Maßnahmen. Dieser Beitrag zur Kostenreduktion sollte daher durch eine dauerhafte Befreiung von Netzentgelten über das Jahr 2029 hinaus abgebildet werden.
  • Kombinationsmodelle aus Batteriespeichern und Elektrolyseuren bieten ein besonderes Potenzial zur Nutzung von Redispatch-Strom: Batteriespeicher können kurzfristig große Mengen erneuerbaren Stroms aufnehmen und ermöglichen so eine verstetigte Versorgung von Elektrolyseuren über Abregelungssituationen hinaus. In bestehenden regulatorischen Mechanismen sollten solche Modelle ebenso berücksichtigt werden wie Speicher und Elektrolyseure als Einzellösungen.
  • Flexible Verbraucher wie Elektrolyseure (und auch Großbatterien) sind in der derzeitigen Regelung der Baukostenzuschüsse (BKZ) benachteiligt, da ihre potenziellen netzdienlichen Effekte nicht ausreichend anerkannt werden. Während es auf der Ebene der Übertragungsnetzbetreiber einen gewissen Handlungsspielraum für Nachlässe gibt, fehlen vergleichbare Maßnahmen auf der Verteilnetzebene gänzlich. Die Standortwahl von Elektrolyseuren und anderen Letztverbrauchern sollte gezielt netzdienlich gestaltet werden, indem regionale Unterschiede in den BKZ berücksichtigt und Steuerungsmöglichkeiten für sämtliche Netzebenen geschaffen werden. Wir schließen uns dem Vorschlag von Prof. Dr. Michael Sterner aus dem Nationalen Wasserstoffrat an, systemdienlichen Elektrolyseuren einen Nachlass von mindestens 95 % auf den BKZ zu gewähren und sie nur zur Finanzierung des eigenen Netzanschlusses, aber nicht für den nachgelagerten Netzausbau heranzuziehen.3 Alternativ könnte eine Reduktion des BKZ in Kombination mit einem Amortisationsmechanismus die Investitionsbelastung am Anfang senken.
  • Darüber hinaus ist eine Vereinfachung des Genehmigungs- und Registrierungsprozesses für systemdienliche Elektrolyseure erforderlich, um Investitionen zu erleichtern.
  • Für Wasserstoffspeicher ist bereits ab 2030 ein signifikanter Bedarf absehbar. Die Umwidmung bestehender Erdgasspeicher dauert durchschnittlich fünf Jahre, der Neubau sogar rund zehn Jahre. Um Investitionen rechtzeitig auszulösen, braucht es daher noch in diesem Jahr klare regulatorische Rahmenbedingungen sowie eine nationale Speicherstrategie, die FIDs ermöglicht.
  • Es mehren sich die Stimmen im politischen Diskurs, die den Neubau von erneuerbaren Energieanlagen streng an der Netzdienlichkeit ausrichten wollen. Steuerungsinstrumente können auch im EE-Ausbau sinnvolle Funktionen erfüllen. Gleichzeitig warnen wir davor, die Kriterien hierbei zu eng zu fassen und somit den Ausbau der erneuerbaren Energien auszubremsen. Im Jahr 2024 waren erst 20 % des Primärenergieverbrauchs in Deutschland erneuerbar. Zum Einhalten der Klimaziele muss die Erzeugung von erneuerbarem Strom weiterhin zügig ausgebaut werden. Anstelle einer engen Reglementierung des Zubaus sollte eine Flexibilisierungsstrategie entwickelt und implementiert werden, die Anreize für die Abnahme zusätzlicher Strommengen zu Zeiten hoher EE-Produktion auf allen Netzebenen bietet. Der Elektrolyse sollte hierbei ein besonderer Stellenwert zukommen, da sie die Energie in Form von Wasserstoff nicht nur langfristig speicher- und transportierbar macht, sondern auch die Dekarbonisierung von besonders energieintensiven Anwendungen ermöglicht.
  • Die Partnerinnen und Partner der PtX Allianz sehen darüber hinaus dringenden Reformbedarf bei den Strombezugskriterien nach Artikel 27 (3) RED II. So führen insbesondere die aktuellen Vorschriften zur „Zusätzlichkeit“ und zur „zeitlichen Korrelation“ des Strombezugs von Elektrolyseuren zu massiven Mehrkosten für die Wasserstoffproduktion und gefährden die Wirtschaftlichkeit vieler Projekte. Modellrechnungen der Allianzpartner zeigen, dass bei der Kombination der beiden Kriterien die Strombezugskosten gegenüber einer Spotmarkt-Beschaffung um bis zu 88 % steigen. Die Gesamtkosten für Wasserstoff steigen dadurch um 2,40 €/kg, was einer Erhöhung um 46 % bei einer 50 %-CAPEX-Finanzierung (z. B. IPCEI-Projekt) entspricht. Daher appellieren wir an die neue Bundesregierung, eine Überarbeitung der europäischen Regulierung zur Zusätzlichkeit und der zeitlichen Korrelation des Strombezugs für grünen Wasserstoff anzuregen.

1Leibniz Universität Hannover – Institut für Festkörperphysik & Institut für Solarenergieforschung GmbH Hameln. (2024). Weniger Abregeln durch mehr Flexibilität im Energiesystem.

2Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln gGmbH (EWI). (2024). Standortbewertung für systemdienliche Elektrolyseure: Eine regionale Analyse multipler Einflussfaktoren. https://www.ewi.uni-koeln.de/de/publikationen/standortbewertung-fuer-systemdienliche-elektrolyseure/

3Nationaler Wasserstoffrat. (2024). Stellungnahme: Systemdienliche Elektrolyse. https://www.wasserstoffrat.de/fileadmin/wasserstoffrat/media/Dokumente/2024/2024-11-22_NWR-Stellungnahme_Systemdienliche-Elektrolyse.pdf