Eckpunkte zur Entwicklung einer Strategie für den Import von grünem Wasserstoff und Power to X-Produkten

16. Dezember 2021 Stellungnahmen

Mit Blick auf die erforderliche Entwicklung einer Importstrategie für grünen Wasserstoff und dessen Folgeprodukte verweist die Power to X Allianz auf 7 Eckpunkte, um das enorme Importpotenzial zu erschließen und um den Import europaweit einheitlich und mit fairen und verlässlichen Regeln zu organisieren.

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Die ambitionierten Klimaschutzziele für die Industrie, den Verkehr und den Gebäudesektor machen es notwendig, immer stärker auf die Nutzung erneuerbarer Energieträger zu setzen. Grüner Wasserstoff und dessen Folgeprodukte wie synthetische flüssige Brenn- und Kraftstoffe und synthetische Gase sind elementar wichtige Energieträger für eine klimaneutrale Wirtschaft und bieten zahlreiche Vorteile für den Transport und die Speicherung von erneuerbarer Energie. Dabei ist der gesamte Energieverbrauch in Industriestaaten wie Deutschland nicht ohne Importe zu decken. Besonders der Verzicht auf fossile Energieträger wie Mineralöl, Erdgas und Kohle sowie deren Derivate in der Mobilität, Wärme und Industrie lässt den Bedarf nach erneuerbarer Energie steigen und macht den Import zur klimapolitischen Notwendigkeit. Gleichzeitig zeigt eine Untersuchung des Fraunhofer Instituts IEE, dass sich außerhalb Europas unter realistischen Annahmen langfristig etwa 69.100 Terawattstunden grüner Wasserstoff beziehungsweise 57.000 Terawattstunden grüne Kraft- und Brennstoffe (Power to Liquids, PtL) jährlich herstellen ließen. Die Leitstudie „Aufbruch Klimaneutralität“ der Deutschen Energieagentur (dena) hält fest, dass im Jahr 2045 657 Terawattstunden grüner Wasserstoff und klimaneutrale synthetische gasförmige und flüssige Energieträger für die Klimaneutralität in Deutschland benötigt werden. Um dieses Potenzial zu erschließen und um den Import europaweit einheitlich und mit fairen und verlässlichen Regeln zu organisieren, empfiehlt die Power to X Allianz, folgende Leitplanken zu berücksichtigen:

1. Nicht nur der Import von grünem Wasserstoff (komprimiert, flüssig und in flüssigen organischen Wasserstoffträgern (LOHC) gebunden), sondern auch die Einfuhr von Folge- und Begleitprodukten wie synthetischen Energieträgern und Grundstoffen (Wasserstoffderivaten) sind zu berücksichtigen. Dazu zählen beispielsweise synthetisch hergestelltes Methan, Methanol, Propan und Butane, Diesel, Kerosin, Benzin, Dimethylether (DME), Naphtha, Ammoniak und Formiate sowie Ethen und Propen.

2. Der Importfrage geht eine Infrastrukturfrage voraus. Beim Import von reinem Wasserstoff sind ein leistungsfähiges Pipelinenetz sowie geeignete Wasserstoffspeicher entscheidend für die Importstrategie. Dabei kann die heute bestehende Erdgasinfrastruktur genutzt bzw. transformiert werden. Jedoch wird auch der Bau neuer Wasserstoff-Leitungen aus anderen Regionen unabdingbar sein. Auch für den Transport und Import von flüssigem Wasserstoff, Wasserstoffträgern (z. B. LOHCs) und von synthetischen Wasserstoffderivaten sind die Voraussetzungen in der Infrastruktur, z. B. durch geeignete Wasserstoffterminals, zu schaffen.

3. Qualität und Reinheit von grünem Wasserstoff sind entscheidende Parameter für eine Importstrategie. Hierfür sind gemeinsame Standards und Bilanzierungsmechanismen festzuschreiben.

4. Mit dem Aufbau der Wasserstoffwirtschaft bieten sich enorme Chancen, gemeinsam mit Exportländern neue klimafreundliche Wirtschaftszweige aufzubauen, lokale Wertschöpfungsketten herauszubilden, Wissenstransfers zu ermöglichen und Standards für eine besonders nachhaltige Produktion von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten frühzeitig zu etablieren. Hierzu sollten ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeitskriterien beachtet werden. Die folgenden Eckpunkte greifen die Überlegungen des Nationalen Wasserstoffrats und der Global Alliance Powerfuels der dena auf:

  • Anwendung eines Zertifizierungssystems – analog zur EU-Systematik – für die Treibhausgasemissionen des grünen Wasserstoffs und seiner Derivate einschließlich der je nach Derivat verwendeten Kohlenstoffquellen: Maßgebend ist vor allem die ausreichende regionale Verfügbarkeit der eingesetzten erneuerbaren Energien im Herkunftsland. Bei Biomasse als Kohlenstoffquelle zur Herstellung von Wasserstoffderivaten sollten Abfall- und Reststoffe gemäß Anhang IX Teil A der RED II bevorzugt werden. Darüber hinaus ist die Nutzung von nicht vermeidbaren Punktquellen für die kommerzielle Produktion von Wasserstoffderivaten zu ermöglichen, wenn sichergestellt wird, dass die vermiedenen Emissionen nur einmalig angerechnet werden.
  • Es empfiehlt sich, konkrete Folgenabschätzungen unter Berücksichtigung ökologischer, sozialer und ökonomischer Aspekte als Voraussetzung für die jeweilige Projektumsetzung einzufordern.
  • Der Import von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten wird durch den Aufbau lokaler Wertschöpfung und Infrastruktur auch der Überwindung von Energieversorgungsengpässen in den Exportländern dienen. Durch zusätzlich zu erzeugende erneuerbare Energie ist zu gewährleisten, dass kein Strom aus anderen Verwendungen abgezogen wird.
  • Potenzielle Landnutzungskonflikte müssen vermieden werden.
  • Bei der Frage der Wassernutzung und des Wasserverbrauchs sollten Effizienz sowie mögliche Auswirkungen auf Wasserverteilungsproblematiken betrachtet werden. Die Wasserentsalzung und -aufbereitung ist bei der Berechnung der Gesamtemissionen zu berücksichtigen. Zudem sollten Maßnahmen zur Minimierung der Umweltauswirkungen der abgeleiteten Salzlauge nachgewiesen werden. Bei der Bewertung der Wassernutzung und des Wasserverbrauchs sollten auch Faktoren wie die Mitnutzung der Wasserentsalzungsanlagen durch die Bevölkerung sowie die lokale Wirtschaft und Industrie berücksichtigt werden.

5. Ein rascher Markthochlauf erfordert neben einer Technologieoffenheit unter Berücksichtigung der heute industriell verfügbaren Technologien (TRL 9) auch eine Offenheit bei den eingesetzten Kohlenstoffquellen. Maßgeblich sollten hierbei allein die erzielbaren Einsparungen an Treibhausgasemissionen bei der Herstellung und Nutzung der erzeugten Wasserstoffderivate sein.

6. Die Importstrategie sollte kohärent mit allen EU-Regularien, die die Wirtschaftsbeziehungen im EU-Binnenmarkt und der EU mit Drittstaaten regelt, und insbesondere mit der EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzen sein.

7. Ohne feste Rahmenbedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff und Derivaten im Ausland ist die Investitionssicherheit bei entsprechenden Projekten zu gering, um die nötigen Investitionssummen zu mobilisieren. Doch auch bei klaren Rahmenbedingungen müssen konkrete Anreize ergänzt werden, bevor eine marktwirtschaftliche Wasserstoffwirtschaft entstehen kann. Derzeitige CO2-Bepreisungs- und Anrechnungsmechanismen reichen diesbezüglich noch nicht aus. Neben der Verbesserung dieser Anreize sollten auch Abnahmegarantien wie über H2 Global und Differenzverträge (Carbon Contracts for Difference, CCfDs) in Betracht gezogen werden. Staatliche Absicherungen der Investitionen über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sollten auch Teil dieser Überlegungen sein.